Freitag, 25. Oktober 2013

Macht der Titel die Arbeit?

Die erste Bedeutung dieser Frage ist leicht zu beantworten: Nein, aber er lässt Interesse aufkommen um zu lesen.
Was uns zur zweiten Bedeutung bringt: Macht dein Titel deine Arbeit?
Nach zweieinhalb Jahren Arbeit zum Doktortitel hin, stellt sich mir die Frage ob der Titel das Wert ist? Und ob er noch aussagekräftig ist, für die Arbeit die der Träger machen kann?

Der Doktortitel hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Man ist etwas "Besseres".
Man bekommt mehr Gehalt, man bekommt bessere Jobs, man bekommt mehr Gehör und mehr Ansehen.
Die Meinung eines Doktors ist mehr wert.

Aber warum?
In vergangenen Zeiten, vor hunderten von Jahren, oder nur vor 40, war die Anzahl der Uni-Bewohner noch klein, und die Professoren und Doktoren taten das was sie taten aus Interesse und mit Nachhaltigkeit, um der Sache willen. Behauptungen wurden angezweifelt und hinterfragt (viellleicht mehr als nötig, zugegeben).
Über Behauptungen/Aussagen/Theorien wurde besser geredet und diskutiert als heutzutage, scheint mir.
Titel wurden Personen verliehen, die sie verdient hatten. Damit meine ich nicht, dass man nur einen Titel bekommen sollte, wenn man Newton oder Einstein heißt.
Diese Titel wurden Personen verliehen, die es verdient hatten einen solchen Titel zu tragen. Und das blieb den Menschen im Kopf und assoziieren sie heute mit einem Doktor oder Professor. Eigentlich nichts daran auszusetzen. Nur wurde seitdem der Titel jemals wieder hinterfragt?

Aktuell scheinen mir die Mehrheit (>50%) dieser Titel immer noch gerechtfertigt, keine Frage. Nur wird die Zahl der ungerechtfertigt Vergebenen immer höher.
Und diese Steigung kommt nicht aus der Steigung der vergebenen Titel.
Meine Schlussfolgerungen kommen natürlich nur aus Erfahrungswerten und Gesprächen mit anderen Doktortitel-Kandidaten, daher betrachten wir mal die zwei Titel an meinem Horizont, Dr. med. und Dr. rer. nat..

Mediziner schreiben ihre Dissertation meist während des letzten Semesters des Studiums innerhalb von 3-6 Monaten, welche oft aus der Zusammenfassung mehrerer Studien zu bestehen scheint.
Da Mediziner allerdings meistens an Menschen praktizieren, sollten sie dann nicht auch einen Großteil der Zeit der Arbeit damit verbringen, darin besser zu werden?
Also vergebt mir, wenn der reine Titel der aus dieser Facharbeit resultiert nicht mein großes Ansehen erhält.
Das soll keineswegs die Kompetenz der Mediziner anzweifeln, aber der Titel könnte auch nach z.B. drei Jahren Praxis & dann dieser Arbeit verliehen werden.

Zu den Naturwissenschaftlern. Hier eher Chemiker, was aber nicht bedeutet, dass es in anderen Gebieten nicht oft ebenso ist.
Die Chemiker bekommen ihren Titel nach 2.5 bis 5 Jahren Forschung (Normalerweise bzw mittlerweile 3.5 bis 4), der Zusammenfassung dieser Forschung in einer schriftlichen Arbeit und einer Verteidigung dieser innerhalb einer zweistündigen Diskussion gegenüber drei Professoren. Der direkte "Vorgesetzte" des Kandidaten und die zwei Professor-Kollegen dessen. Zum Abschluss wird der Titel auch noch mit einer Note (0-3) versehen.

Klingt doch schon mal respektabel, oder nicht?
Von Außen betrachtet, kein Zweifel ein gutes System. Aber das ist das Notenvergabe-System im Abitur und vor allem im Studium auch.
Von Innen sieht man jedoch die Fehler. Nicht die Fehler des Systems, sondern die Fehler der einiger Menschen darin.
Diese Fehler haben viele Ursachen, viele Auswirkungen und vielleicht viel Diskussionsbedarf. Aber hier geht es erst mal um die Auswirkung auf die Kompetenzen und das Ansehen eines Doktortitel-Trägers.
Die Fehler liegen in der Umsetzung des Systems. Es wird nicht mehr objektiv durchgeführt. Um nur die Spitze zu erwähnen, die drei Professoren in der oben genannten Prüfung, und ganz besonders einer von ihnen, ist meist im geringsten nicht mehr objektiv. Der Professor, mit/für den der Kandidat jahrelang davor geforscht hat, dessen Stimme das größte Gewicht in der Doktorprüfung ist.
Er/sie sieht unmittelbare Folgen darin, wie gut oder schlecht sein "Zögling" nach außen hin gesehen wird. Nämlich die Rückschlüsse der anderen auf seine eigene Kompetenz, damit sein Ansehen, und damit sein Vorankommen in der Akademischen Laufbahn/"Karriere". Denn das Ansehen der Professoren und damit der Uni in der Welt und gegenüber anderen Universitäten ist ausschlaggebend für die Gelder, die zu dieser Uni fließen und zu diesen Professoren. U.a. deshalb wird der Kandidat, der nicht geeignet ist für den Titel, dennoch durch die Jahre der Forschung und die Prüfung geschoben, und am Ende meist mit einer schlechteren 1 (trotz zwei weiterer Notenstufen) bewertet.
Denn es kann niemand aus dem Hause des Professors XY kommen und kein Genie sein. Denn nur die Besten der Besten bekommen Gelder. Aus dem selben Grund werden Notenstufen 3-6 (in Prüfungen zum Bachelor/Master/...) kaum noch verwendet. Aber dienen für den Gesamtschnitt der Uni und deren Ansehen und als Maßstab für die Kompetenz der Studenten. Kandidaten sind nicht länger "gut", "nicht gut" oder "schlecht", sie sind "nicht exzellent". Daher sind auch Träger des "Dr. rer. nat"-Titels mit Vorsicht zu betrachten.

Das Ansehen, dass diesen Titeln entgegen gebracht wird war daher zu anderen Zeiten vielleicht angemessen, ist aktuell aber viel zu hoch.
Dies heißt nicht, dass keiner einen solchen Titel tragen dürfen sollte. Es bedeutet lediglich, dass Ehrfurcht und Ansehen gegenüber solch althergebrachten Titeln immer wieder hinterfragt werden sollte, und nicht alles Gold ist was mal glänzte.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Der Münchhausen Titel
Viele Doktoranden finden sich während der Doktorarbeit...
QuestionEverything - 1. Sep, 12:17
Was wir verdienen
Damit wir "was werden", sollen wir studieren. Damit...
QuestionEverything - 2. Apr, 15:59
Moderne Sklaverei
Vor ein paar Jahrzenten wurde die Sklaverei abgeschafft....
QuestionEverything - 31. Mär, 14:29
Über die Fähigkeit zum...
Die Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten ist in der...
QuestionEverything - 11. Dez, 15:34
Spieglein Spieglein
Wir halten Vorträge, haben mündliche Prüfungen und...
QuestionEverything - 25. Okt, 10:31

Links

Suche

 

Status

Online seit 3838 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 8. Sep, 14:15

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren