Dienstag, 5. November 2013

Spieglein Spieglein

Wir halten Vorträge, haben mündliche Prüfungen und Vorstellungsgespräche.

Die Photos auf Bewerbungen müssen professionell aussehen.

Wenn hier oder dort ein Barthaar zu viel oder eine Haarsträhne am falschen Platz sitzt, bleibt man arbeitslos. Dann hat Heidi Klum heute leider kein Photo für uns.

Die Begründung warum wir nicht eingestellt wurden, oder schlechte Noten bekamen, lautete sehr oft: weil wir uns nicht richtig verkaufen können. Wir konnten die Erwartungen unserer Gegenüber nicht in dem Maße erfüllen, wie sie es gerne hätten.
Gut, in manchen Jobs braucht es nun einmal ein Model, das genau so aussieht oder genau das darstellen kann, was die Firma repräsentiert haben möchte. Nur muss der Rest von uns sich auch so gut verkaufen können, um genau den Vorstellungen zu entsprechen?

"Sich verkaufen" ist dabei eine gute Wortwahl. Wir benutzen es mittlerweile gleichbedeutend mit "einen guten Eindruck machen", oder "kompetent sein". Wir haben einen zu geringen Wert für uns bekommen. Aber müssen wir uns denn für den richtigen Wert hergeben und uns verkaufen?

Wortwörtlich betrachtet sollte es damit benutzt werden für "Kompetenz vorspielen", "käuflich sein", "sich für Geld/Gegenwert hergeben". Dass wir es aber mittlerweile in der falschen Bedeutung benutzen, spiegelt unsere Gesellschaft wieder. Denn die Welt will uns nicht haben, wie wir sind, wir sollen sein wie sie uns gern hätte - und am besten alle noch konform. So streben wir danach einen immer höheren Preis für uns verlangen zu können, und verändern uns dafür hin zu wie wir sein sollten.
Oder versuchen unserem Käufer etwas vorzuspielen, um den Preis in die Höhe zu treiben. Ziehen schicke, professionelle Klamotten und Schuhe an. Schminken uns ein professionelles Lächeln ins Gesicht und rasieren den Bart, damit man es besser sieht. Denn Bewerbungen landen im Müll, nur weil das kleine Photo auf der ersten Seite nicht genug anspricht.
Sobald man durch den ersten Reifen gesprungen ist, ist man dann natürlich willig, und vom "Erfolgserlebnis" angespornt, auch durch die nächsten zu springen. Also tun wir alles für die nächste Beförderung, in dem wir jede Kleinigkeit aussehen lassen als wären es Wunder und bieten ein gar großartiges Schauspiel.
Und mit der Zeit unterdrückt diese zweite Persönlichkeit der Arbeit unser wahres Ich.

Ist sich gut verkaufen können eine gute Eigenschaft? Was bleibt denn noch über wenn man sich jedem verkauft?

Wenn man nicht von jedem angenommen wird, heißt das nicht, dass man nicht gut ist, lediglich, dass man selber noch vorhanden ist.

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